G. Wolters: Ambivalenz und Konflikt

Cover
Titel
Ambivalenz und Konflikt. Katholische Kirche und Evolutionstheorie.


Autor(en)
Wolters, Gereon
Reihe
Konstanzer Universitätsreden 237
Erschienen
Konstanz 2010: UVK Verlag
Anzahl Seiten
56 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Joachim Schmiedl, Theologische Fakultät, Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar

Das Verhältnis der katholischen Kirche zur naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie ist in den letzten Jahren wieder in die Diskussion gekommen. Das Interview des Wiener Kardinals Christoph Schönborn über «Intelligent Design» sowie die Tagung des Schülerkreises Joseph Ratzingers / Benedikt XVI. zur Schöpfungstheologie im Sommer 2006 haben den Verdacht genährt, als würde sich die katholische Kirche fundamentalistischen kreationistischen Positionen öffnen. Der Konstanzer Philosoph und Theologe Gereon Wolters weist zu Beginn seiner Abschiedsvorlesung diesen Vorwurf vehement zurück. Das Thema Kirche und Evolution ist für den Autor ein Spezialfall des Themas Wissenschaft und Religion bzw. Vernunft und Glaube, deren Zusammengehörigkeit für den gegenwärtigen Papst nicht verhandelbar ist.

Vier mögliche Beziehungen zwischen Wissenschaft und Religion sieht Wolters: Sie stehen in einem Konfliktverhältnis zueinander, sie ergänzen sich, sie kooperieren; gelegentlich sind aber auch unvergleichbar, weil sie über grundsätzlich verschiedene Dinge reden. Daraus entwickelt Wolters zwei mögliche Arten von Konflikt: Wenn Wissenschaft und Religion einander ausschliessende Auffassungen vertreten, sei das ein Galilei-Konflikt – das sei etwa in der Evolutionstheorie der Fall gewesen; wenn Wissenschaftler versuchen, «Religion als ein eigenständiges Phänomen zurückzuweisen» (11) und als Illusion zu markieren, spreche man von einem Freud-Konflikt. Beide Konflikte behandelt Wolters an historischen Beispielen.

Die Peinlichkeit für die Kirche in der Ablehnung der kopernikanischen Lehre bestand darin, diese als «formal häretisch» bezeichnet zu haben und damit der Gefahr eines Irrtums in Glaubensangelegenheiten ausgesetzt gewesen zu sein. So ist es auffällig, «dass es im ersten Jahrhundert des Darwinismus keine einzige offizielle Stellungnahme der Kirche zur Evolutionstheorie gab» (14). Das Thema, zu dem Leseverbote für Bücher vorliegen, ist der Monogenismus. Hierzu nahm 1950 Pius XII. in seiner Enzyklika «Humani Generis» Stellung, in welcher er für die Evolutionstheorie fordert, sie dürfe nicht den Ursprung des Menschengeschlechts aus einem Elternpaar und die Erschaffung der menschlichen Seele durch Gott bestreiten. Zur Evolution als Tatsache äusserte sich der Papst nicht. Die «zurückhaltende und abwartende Position zur Evolutionstheorie» (24) behielt die Kirche auch im Fall des französischen Jesuiten-Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin bei. 1996 erklärte Johannes Paul II. in einem Brief an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften die Evolutionstheorie als «mehr denn bloss hypothetisch» (25). Über Mono- bzw. Polygenismus schweigt sich der Papst aus, bestreitet jedoch eine Evolution des Geistes. In den bischöflichen und päpstlichen Aussagen der letzten Jahre sieht Wolters dann allerdings wieder Ambivalenzen wirksam. Es geht um die Rettung Gottes gegen eine sich selbst entwickelnde Natur. Wolters Empfehlung: «Halten Sie sich grundsätzlich aus Galilei-Konflikten heraus!» (38) Solche Konflikte seien nur zu verlieren und würden die Religion der Lächerlichkeit aussetzen.

Damit ist Wolters bei den Freud-Konflikten angelangt. Sie illustriert er vor allem am Beispiel des «Gotteswahn»-Buches von Richard Dawkins. Nach Wolters handelt es sich bei solchen Konflikten um philosophische Argumentationen, die über die Naturwissenschaften hinausführen. Kirche müsse dabei durch philosophische Argumente überzeugen und könne sich nicht auf lehramtliche Autorität stützen. Den kurzen Abschnitt über Freud-Konflikte beschliesst Wolters mit der Mahnung, bei solchen Auseinandersetzungen nicht nervös zu werden, weil die Abstützung durch die Empirie fehle.

Dem Charakter einer Abschiedsvorlesung entsprechen die Schlussermahnungen an seine Zuhörer. Doch ansonsten ist Gereon Wolters eine erfreulich unaufgeregte, doch immer differenzierte und gut belegte Analyse von Konflikten zu verdanken, die weder naturwissenschaftlich noch theologisch endgültig erschlossen sind – und vielleicht auch nie völlig geklärt werden können.

Zitierweise:
Joachim Schmiedl: Rezension zu: Gereon Wolters, Ambivalenz und Konflikt. Katholische Kirche und Evolutionstheorie (=Konstanzer Universitätsreden, Bd. 237), Konstanz, UVK, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 104, 2010, S. 515

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit